Was viele nicht wissen: Neben Organen kann auch bestimmtes Gewebe gespendet werden – manchmal sogar im
Rahmen einer Lebendspende. Wir klären über die Möglichkeiten der Gewebespende auf.
Warum Gewebe spenden?
Krankheiten oder Unfälle können dazu führen, dass ein Mensch eine Gewebespende braucht. Tatsächlich werden Gewebe
weit häufiger als Organe transplantiert. Grundsätzlich hat die Organspende Vorrang vor einer Gewebespende – es
wird also z. B. bevorzugt das komplette Herz eines Spenders zur Transplantation entnommen als nur die
Herzklappen. In manchen Fällen kann ein Organspender aber sowohl Organe als auch Gewebe spenden.
Der große Vorteil an Gewebespenden ist, dass sie anders als Organe nicht sofort transplantiert werden müssen.
Stattdessen werden sie konserviert und gelagert, bis sich ein geeigneter Empfänger findet. Außerdem können viele
Gewebe – anders als Organe – auch dann noch entnommen werden, wenn das Herz-Kreislauf-System des Verstorbenen
zusammengebrochen ist und keine künstliche Beatmung erfolgen konnte. Genau wie bei Spenderorganen bedeuten auch
Gewebespenden für Empfängerpatienten häufig eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität oder sogar eine
Lebensrettung.
Welche Gewebe können gespendet werden?
Eine Augenhornhaut-Transplantation kann notwendig werden, wenn die Hornhaut eines Menschen getrübt ist
oder verletzt wurde. Eine Transplantation kann eine Erblindung verhindern. Da die Augenhornhaut vom eigenen
Immunsystem kaum als Fremdkörper wahrgenommen wird, sind die Erfolgsaussichten einer Transplantation
relativ hoch.
Art der Spende: ausschließlich postmortal
Erkrankungen der Herzklappen können die Funktionstüchtigkeit des Herzens beeinträchtigen. Wenn
die Herzklappen sich nicht mehr richtig schließen bzw. öffnen, ist eine Transplantation
angeraten. Gut zu wissen: Erhält ein Patient ein Spenderherz, können die Herzklappen des
eigenen, entnommenen Herzens weitergespendet werden, sofern sie noch intakt sind.
Art der Spende: postmortal oder Lebendspende (bei Spenderherz-Empfängern)
Blutgefäße können verkalken und damit verstopfen, zum Beispiel in Folge von Diabetes,
Bluthochdruck, Fettleibigkeit oder Rauchen. Gerade bei den Blutgefäßen in Herznähe ist das sehr
gefährlich und kann zum Tod führen. Als Ersatz können Arterien und Venen von Gewebespendern oder
vom betreffenden Menschen selbst transplantiert werden. In letzterem Fall werden dem Patienten
Arterien bzw. Venen an anderer Stelle des Körpers entnommen und an der benötigten Stelle wieder
eingesetzt.
Art der Spende: postmortal oder Lebendspende
Auch wenn Knochen zu den stabilsten Bestandteilen unseres Körpers gehören, können sie durch
Unfälle, Entzündungen oder Tumore nachhaltig geschädigt werden. In manchen Fällen kann eine
Knochenspende Abhilfe schaffen und den Patienten z. B. vor der Amputation der betroffenen
Gliedmaße bewahren. Transplantiert werden können Röhrenknochen von Armen und Beinen sowie Teile
des Beckens und ganze Gelenke. Bei Knochen- Lebendspenden handelt es sich um entfernte Teile des
Hüftknochens von Patienten, die ein künstliches Hüftgelenk erhalten haben.
Art der Spende: postmortal oder Lebendspende
Eine Transplantation von Sehnen und Bändern kann helfen, die Beweglichkeit von Gelenken nach
Sehnen- oder Bänderrissen zu erhalten und damit eine Versteifung der Gelenke zu verhindern. Wie
bei den Blutgefäßen können Sehnen und Bänder auch als Eigen-Lebendspende innerhalb des eigenen
Körpers versetzt werden.
Art der Spende: postmortal oder Lebendspende (nur bei Eigengewebespende)
Durch Unfälle kann die Haut so großflächig beschädigt werden, dass sie nicht mehr heilen kann –
etwa durch Verbrennungen oder Kontakt mit Säure. Aber auch Krankheiten wie Tumore können
großflächige Hautschädigungen hervorrufen. Da die Haut als natürliche Schutzbarriere unseres
Körpers dient, ist in solchen Fällen eine Hauttransplantation dringend notwendig. Grundsätzlich
kann Eigenhaut von anderer Stelle des Körpers genutzt werden – bei großen Flächen ist das jedoch
nicht praktikabel, sodass Hautgewebe von verstorbenen Organ- und Gewebespendern zum Einsatz
kommt.
Art der Spende: postmortal oder Lebendspende (nur bei Eigengewebespende)
Zur Behandlung von Verbrennungswunden bei Kindern, chronischen Wunden und oberflächlichen
Verletzungen an Binde- oder Hornhaut des Auges kann auch Eihaut (Amnion) eingesetzt werden.
Diese stammt aus der Plazenta und kann von Müttern nach einer Kaiserschnittgeburt gespendet
werden. Die Eihaut fördert die Wundheilung und kann Schmerzen reduzieren.
Art der Spende: Lebendspende
Inselzellen finden sich in der Bauchspeicheldrüse und sind für die Produktion von Insulin
zuständig. Dieses wird benötigt, um den Zucker im Blut abzubauen. Bei Diabetikern ist die
Funktion der Inselzellen gestört, weshalb in schweren Fällen eine
Bauchspeicheldrüsen-Transplantation nötig sein kann. Alternativ können einer gespendeten
Bauchspeicheldrüse auch einfach die Inselzellen entnommen und dem Empfänger eingesetzt werden.
Art der Spende: postmortal
Stammzellenspender können für an Blutkrebs Erkrankte die letzte Rettung sein. Eine Möglichkeit,
diese Stammzellen zu gewinnen, ist die Knochenmarkspende: Hierbei wird der Spender in
Vollnarkose versetzt und Knochenmark aus dem Becken entnommen. Stammzellen können aber auch aus
dem Blut gewonnen werden: Hierfür wird dem Spender Blut abgenommen und die Stammzellen
herausgefiltert, woraufhin das restliche Blut wieder in den Körper des Spenders zurückgeführt
wird.
Art der Spende: Lebendspende
Ablauf einer Gewebespende
Bei postmortalen Spenden: Genau wie bei der Organspende muss erst der Hirntod
des Patienten zweifelsfrei festgestellt werden. Hat der Verstorbene vor seinem Tod einer Organ-
und Gewebespende zugestimmt (bzw. bei Nichtvorliegen einer Entscheidung die Angehörigen), dürfen
geeignete Gewebe entnommen werden.
Bei Lebendspenden: Der Spender wird über Risiken etc. aufgeklärt und muss der
Spende zustimmen.
Während Organe möglichst schnell nach der Entnahme transplantiert werden müssen, können Gewebe
bis zur Vermittlung auch einige Zeit lang aufgehoben werden. Dazu werden sie nach der Entnahme
in Gewebebanken konserviert und aufbewahrt.
Anders als bei Organen gibt es für Gewebetransplantationen keine zentralen Wartelisten. Die
jeweiligen Gewebebanken entscheiden nach Dringlichkeit und Erfolgsaussichten, welchem Patienten
welche Gewebespenden zugeteilt werden. Die meisten Gewebebanken in Deutschland sind
gemeinnützig, also ohne finanzielle Interessen hinsichtlich der Weitergabe der Gewebe.
Wichtig!
Wie bei der Entnahme von Spenderorganen gehen die Ärzte auch bei der Entnahme von Gewebespenden stets
gewissenhaft vor. Dabei wird in jedem Fall dafür gesorgt, dass der Körper des Verstorbenen nach der Operation
sorgfältig verschlossen wird. Bei einer Augenhornhautspende wird dem verstorbenen Spender zudem ein farblich
passendes Augenimplantat eingesetzt, sodass der Gesichtsausdruck vollständig erhalten bleibt.